Montag, 23. Dezember 2013

Weihnachten mit Hegel


Hegel, der von seiner Familie „Wilhelm“ genannt wurde, mit vollem Namen hieß er Georg Wilhelm Friedrich, hat sich mit den Gegensätzen, die andere Philosophen vor ihm aufgestellt hatten, nicht zufrieden gegeben. So hat er etwa, wie ich aus dem schönen Hegel-Buch des Kanadiers Charles Taylor erfahren habe, die Theorie seines älteren Kollegen Immanuel Kant abgelehnt, wonach jeder äußeren Erscheinung eines Gegenstandes ein inneres "Ding an sich“ gegenüber steht. Hegel sah das Wesen der Dinge anders, für ihn war es in gewisser Weise ein Willenszentrum, welches die Dinge hervorbringt und deshalb nicht im Widerspruch zu ihnen stehen kann.
Auch der Mensch kann sich nicht in einen Gegensatz zu sich selbst stellen. Alles das, was er vermeintlich über sich selbst denkt, ist er selbst. Er kann sich auch in der Betrachtung der ihn umgebenden Welt nicht aus dem System (ich benutze hier meine eigenen, etwas ungenauen Begriffe)  heraus denken.
In der Mitte des Geschehens sah Hegel die Wirkung von "Geist“, eines vernünftigen, sich selbst denkenden Wesens, das die Dinge mit seinem Denken aus sich hervorbrachte. Gelegentlich nannte er dieses Wesen auch „Gott“ und lehnte den Gedanken ab, dass dieser Gott sozusagen der Welt gegenüber stehen und außerhalb von ihr existieren würde. Für ihn war Gott und Welt eins, weil Gott sich denkend in der Welt realisierte. Er hat es also durchaus nicht atheistisch verstanden, wenn er überspitzend sagte "ohne Welt ist Gott nicht Gott“.
Nun ist der Mensch nicht perfekt, und die Welt ist es auch nicht. Das liegt nach  Hegel daran, dass beide, Mensch und Welt, auf einer Reise sind, die erst am Ende zur Vollkommenheit führen und das wahre Wesen beider aufzeigen wird. In diesem Endstadium, sagt Hegel, wird Gott sichtbar, und deshalb wird dann kein Glauben mehr notwendig sein.
Auf dem Weg zu dieser Vervollkommnung muss der in der Welt innewohnende Geist sich nach und nach zeigen. Und dies hat er, so Hegel, in seiner bislang bedeutendsten Form getan, indem er in Bethlehem Mensch geworden ist. In dieser Erscheinung Gottes als Mensch (die Hegel ähnlich wie Paulus „Entäußerung“ nennt) sieht Hegel die bedeutendste Hervorbringung aller bisherigen Religionen. Insofern ist er, der bis zu seinem Lebensende ein Mitglied der lutherischen Kirche war, ein christlicher Denker gewesen, auch wenn seine zentralen Gedanken den Faktor Gott außer Acht ließen. Sie bewegten sich um die innere Vernunft, die „Logik“ der Dinge, das Denken, in das auch Gott einbezogen ist, weil auch er denkt, indem er die Welt denkt.
Als im Jahre 1806 Napoleon unter den Augen von Hegel in Jena einritt, hat er ihn die „Weltseele zu Pferde“ bezeichnet. Ich vermute, dass Hegel auch im Stall von Bethlehem eine ähnliche, aber noch größere Erscheinung aus dem Inneren der Welt gesehen hat.
Ich wünsche allen, die dies lesen, eine fröhliche Begegnung mit dem, der die Welt denkend aus sich hervorbringt und der sich an Weihnachten als kleines Kind in einer Futterkrippe zeigt.

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